[Artikel] von Amanda Angler
Von einer Paarberatung erhoffen sich viele Paare die Lösung. Die Paarberater Irene und Arno Mitterbacher wissen aber, dass es diese so nicht gibt. Den Paaren wird auf den Weg zu ihren individuellen Lösungen geholfen, indem die grundliegenden Probleme aufgedeckt sowie die Beziehung als Ganzes betrachtet wird. Wenn man die Paarberater also nach generellen Tipps für eine gesunde Beziehung fragt, gibt es darauf keine allgemeine Antwort. In einem spannenden Interview haben Irene und Arno Mitterbacher uns aber einige hilfreiche Ansätze verraten.
Das wohl wichtigste in einer Beziehung ist die Kommunikation. Viele Paare kommen in die Paarberatung, da ein vermeintliches Problem ihre Beziehung schwächt. Hinter diesen Problemen steckt aber größtenteils eine mangelhafte oder fehlende Kommunikation. Leider scheitern viele Beziehung an der Kommunikation oder besser gesagt an dem nicht zuhören bzw. nicht gehört werden. Genau deswegen war der größte Tipp der Paarberater: „Reden, und noch wichtiger: zuhören!“.
Eine erfolgreiche Partnerschaft kann nur entstehen, wenn beide Partner ein selbständiges Individuum sind. Das Ich und Du müssen zwei individuelle Kräfte sein, damit daraus ein gemeinsames Wir entstehen kann. Die zwei Individuen müssen ihren eigenen Interessen nachgehen, sich entfalten können und ihre eigene Persona bleiben. Nur eine Beziehung, welche aus zwei selbstbestimmten Individuen entsteht, kann auf Dauer tragfähig sein.
1x im Jahr
Ein ganz besonderer Tipp der Paarberater: 1 x im Jahr ein Wochenende für die Beziehung. Ohne Kinder, Freunde, Schwiegereltern oder andere Störfaktoren. Das Paar nimmt sich nur Zeit für sich. Das Wochenende kann auch nur eine Übernachtung lang sein und muss auch nicht teuer oder besonders ausgefallen sein, im Zentrum steht die Zeit zu zweit. Während des besonderen Wochenendes kann man gemeinsam über die Beziehung reflektieren, sich gegenseitig wertschätzen, bestehende Regeln überdenken, über gute und schlechte Momente reden und ein besonderes Augenmerk auf die gegenseitige Liebe legen. Dieses eine Wochenende im Jahr wird ausnahmslos in die Partnerschaft investiert.
Sogenannte Wochenend-Beziehung sind inzwischen häufig geworden – von Montag bis Freitag geht jeder Partner seiner Arbeit und dem dazugehörigen Alltag nach und am Wochenende verbringt man dann Zeit zusammen. Für solche Beziehungen ist eine klare Struktur der Schlüssel zum Erfolg . Vorsicht ist hier geboten, nicht in einer Parallelwelt zu versinken, in der es zwar dieses und jenes Leben gibt, aber kein gemeinsames. Für die Zeiträume, die man zusammen verbringt, braucht es Strukturen, welche klar definiert werden müssen sowie Fixpunkte, auf die man sich verlassen kann. Trotzdem ist der individuelle Freiraum ein genau so wichtiger Bestandteil. Anwendungen wie Zoom oder Facetime können für diese Paare sehr hilfreich sein. Damit können sie sich, wann immer ihnen zeitlich möglich, an den Laptop, oder das Handy, setzen und miteinander face-to-face kommunizieren. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob man die andere Person sieht oder nur hört. So können kleine gemeinsame Momente in den sonst separierten Alltag integriert werden, um ein Gefühl von Verbundenheit zu schaffen.
Auch wenn es eine äußerst umstrittene Thematik ist: grundsätzlich braucht jede Beziehung Regeln. Und nein, damit sind keine Einschränkungen wie Ausgangssperren gemeint. Vielmehr meinen Regeln hier klare Grenzen und Vereinbarungen, damit sich beide Parteien wohlfühlen und einander vertrauen können. Diese sollten aber immer wieder an die Beziehung und Bedürfnisse der Partner angepasst werden. Solche Vereinbarungen geben in einer Beziehung Orientierung, Halt und vor allem Sicherheit. Grundsätzlich sollte man seinen Partner aber nicht einsperren – verbietet man etwas, so fühlt sich das Gegenüber an die Wand gedrückt. Sollte sich ein Partner aber unwohl fühlen, muss dies unbedingt zur Sprache kommen. Gerne kann man ausdrücken, was einem nicht gefällt und danach rücksichtsvoll und sensibel miteinander darüber sprechen. Die Kommunikation ist auch hier essenziell: Bedürfnisse und Grenzen müssen klar genannt werden, aber einer erwachsenen Person etwas zu verbieten ist ein No-Go.
Ein Streit oder Konflikt sollte immer ausdiskutiert werden, bevor man schlafen geht. Auch wenn es dauert – die Paarberater haben verraten, dass auch sie schon bis vier Uhr morgens Konflikte ausdiskutiert haben – es lohnt sich. Am nächsten Tag verschiebt sich die Wahrheit nämlich immer schon etwas. Wenn man es aber schon am Abend ausdiskutiert, gibt man der Wut, dem Zorn und der Unverständnis Platz. Auch wenn es in diesem Moment vielleicht keine Lösung gibt, ist es wichtig, die Meinung des anderen zu akzeptieren. Diese Praktik ist mit viel Toleranz verbunden, welche in einer Beziehung, genauso wie Kompromissbereitschaft, essenziell ist.
Jede gute Partnerschaft beruht auf einem tiefliegenden Fundament. In schwierigen Momenten kann es hilfreich sein, sich darauf zu stützen. Gemeinsam kann man sich überlegen, wie die Beziehung anfangs überhaupt zustande gekommen ist und wieso man sich ineinander verliebt hat. All diese schönen Erinnerungen können die Partner nutzen, um sich zu überlegen, warum sie hier sind und für ihre Beziehung kämpfen wollen. Vor allem in kritischen Zeiten tut es gut, sich immer wieder alles Gute der Beziehung in Erinnerung zu rufen. Die Paarberater verwenden oft eine Übung, in welcher die Paare sich in die Augen schauen und sagen sollen, was sie besonders am Gegenüber schätzen und lieben. Gegenseitige Wertschätzung ist in einer Beziehung ebenso fundamental, wie sie laut zu kommunizieren.
Letztendlich ist jede Beziehung etwas besonderes und sehr individuell. Diese Tipps und Inputs der Paarberater zeigen aber, dass es sich lohnt, um seine Beziehung zu kämpfen. Denn, so sagen die Beiden, lieber sucht man in einer bestehenden Partnerschaft nach etwas Neuem, als eine neue Beziehung mit alten Mustern zu führen. Und ja, es kann (und soll) bestimmt nicht jede Beziehung gerettet werden, aber es sind so viel mehr sich liebende Paare zu retten, als man vermutet.