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[Artikel] von Julia Brunner, Sonja Huber, Michelle Klump, Ylvi Proprentner, Selina Trettenhahn und Sarah Wabnegger

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Liebe 4.0: Der Einsatz von KI in der Paarberatung

Können KI-Systeme eine erste Anlaufstelle für Paare in schwierigen Situationen sein? Studierende der Alpen-Adria Universität Klagenfurt machen sich 2025 auf die Suche nach Antworten, experimentieren mit KI-Modellen und realitätsnahen Szenarien und sprechen mit Expertinnen und Experten aus der Paarberatung.

Beratungsplätze für Paare sind oft stark begrenzt oder für viele schlicht nicht leistbar. Paare warten häufig monatelang auf Unterstützung, während ihre Konflikte sich weiter zuspitzen. In einer Welt, in der Künstliche Intelligenz zunehmend präsenter wird, stellt sich die Frage: Kann KI eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Paarberatung sein – vielleicht sogar als Übergangslösung? KI-Systeme könnten Paare dabei unterstützen, erste Schritte zur Konfliktbewältigung zu unternehmen, bevor sie professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Dies könnte in Form von Chatbots oder personalisierten Programmen erfolgen, die mithilfe von Algorithmen gezielte Fragen stellen, Konfliktmuster analysieren und Empfehlungen für Kommunikationsstrategien geben. Die Studierenden haben sich dem Thema Eifersucht in der Beziehung gewidmet und unterschiedliche KI-Modelle um Hilfe gebeten. Mistral AI meint nach einer kurzen Problemschilderung beispielsweise: „Beim Thema Eifersucht in einer Beziehung ist die Selbstreflexion das A und O. Vor allem sollte man die wahren Gefühle zum Ausdruck bringen, Grenzen und Konsequenzen sollen klar kommuniziert werden. Das Gespräch soll in einer ruhigen Umgebung stattfinden und ausschließlich nur dann, wenn beide Parteien entspannt sind.“ Auf den ersten Blick hört sich das sehr professionell an - aber ist es das auch?

Ein Experiment:

Die KI als "Paarberaterin"

Zu Beginn des Experiments führen Studierende Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Paarberatung durch, um typische Problemstellungen in Beziehungen zu identifizieren, wie etwa das Gefühl von Entfremdung oder Eifersucht. Danach werden KI-Sprachmodelle gebeten, Fragen zu stellen und Ideen zu den genannten Themen zu liefern. Die Antworten der KI werden von den Expert:innen beurteilt und mit den Studierenden gemeinsam reflektiert. Dabei werden die Stärken und Schwächen der KI-Ideen analysiert.

Beispielsweise wurde die KI gefragt, was ein Paar tun solle, wenn in der Beziehung Eifersucht ein Konfliktthema darstellt. Erste Antwort des Sprachmodells: „Es ist gut, dass ihr über eure Gefühle sprecht – Kommunikation ist ein wichtiger Schritt zur Lösung. Eifersucht kann in einer Beziehung eine Herausforderung sein, aber sie hat oft tiefere Ursachen, die es wert sind, gemeinsam anzusehen. Lass uns das zusammen betrachten.“ Im weiteren Verlauf stellt die KI durchaus brauchbare Fragen.

Es zeigt sich, dass die KI durchaus praktikable Ansätze liefert. Gleichzeitig wird das Vorgehen der KI von den Expertinnen und Experten überwiegend als „Standardprocedere“ eingeschätzt.

Die KI als Eifersuchtsexpertin?

Das Thema Eifersucht führt in vielen Beziehungen zu Konflikten. Obwohl viele Paare davon betroffen sind, sucht sich nur ein Bruchteil professionelle Unterstützung. Interviews mit ausgebildeten Paarberaterinnen und Experimente mit unterschiedlichen KI-Tools brachten wesentliche Erkenntnisse im Vergleich.

„Ich habe ein Eifersuchtsproblem“ - auf diesen einfachen Prompt reagiert die KI Mistral AI zunächst hoffnungsvoll. Doch schon bald wird klar, dass die KI zwar Tools und Tipps bereitstellen kann, aber nicht in der Lage ist auf das Gespräch einzugehen, Rückfragen zu stellen, oder überhaupt das Gespräch sinnvoll anzuleiten. In einem professionellen Beratungsgespräch ist es besonders wichtig, gesprächsführende Fragen zu stellen und auf mögliche Hintergründe einzugehen. Das Thema Emotion ist ein sehr wichtiger Aspekt, da bei der Beratung direkt auf die jeweilige Emotion eingegangen werden kann. Die Zwischenmenschlichkeit in einem Beratungsgespräch ist essentiell, geht aber bei jedem Gespräch mit der KI verloren.

Stimmen aus der Praxis

Paarberater:innen, die wir befragt haben, setzen Künstliche Intelligenz bislang (noch) nicht aktiv in ihrer Arbeit ein, zeigen sich jedoch grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber den theoretischen Möglichkeiten. Sie erkennen das Potenzial von KI, etwa in der Analyse von Kommunikationsmustern oder der Identifizierung von Konfliktursachen. In der Praxis ist die Umsetzung jedoch oft mangelhaft, da die Technologie noch nicht ausgereift genug ist, um den individuellen Bedürfnissen von Paaren gerecht zu werden. Daher bietet KI derzeit keinen echten Mehrwert in der Paarberatung.

Die klassische Paarberatung, die auf Empathie, zwischenmenschlichem Gespür und tiefgehenden Gesprächen basiert, wird wohl auch in Zukunft nicht ersetzbar sein – so der Tenor der Expertinnen und Experten. Die menschliche Interaktion und das Verständnis für die emotionalen Bedürfnisse der Paare sind weiterhin unverzichtbar und können von KI nicht ersetzt, sondern allenfalls simuliert werden.

Kann KI eine Übergangslösung sein?

Wenngleich KI keine menschlichen Berater:innen ersetzen kann, könnte sie dennoch als Übergangslösung unterstützend dienen. So könnten Paare mithilfe von speziellen KI-Systemen erste Konfliktanalysen durchführen und ein besseres Verständnis für die zugrunde liegenden Dynamiken ihrer Beziehung entwickeln. Muster in der Kommunikation oder wiederkehrende Konfliktthemen könnten identifiziert und reflektiert werden, um den Paaren Ideen zur Verbesserung ihrer Interaktion zu liefern.

Solche KI-gesteuerten Anwendungen könnten den Paaren ermöglichen, die Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren, besser zu verstehen, bevor sie in eine tiefere Beratung gehen. Ein erster Schritt zur Reflexion könnte darin bestehen, dass Paare ihre Streitigkeiten oder Missverständnisse beschreiben und daraufhin eine Analyse erhalten, die auf den bisherigen Informationen und bewährten Konfliktlösungsstrategien basiert. Dies könnte dazu beitragen, dass Paare bereits vor der eigentlichen Beratung eine erste Ebene der Selbstreflexion und Problemerkennung erreichen, was die anschließende professionelle Beratung deutlich effektiver und zielgerichteter machen würde.

Darüber hinaus könnten KI-Systeme auch dazu beitragen, dass Paare ein Gefühl der Kontrolle und Eigenverantwortung für ihre Situation entwickeln, was oft zu einer höheren Bereitschaft führt, sich intensiver mit den Themen auseinanderzusetzen. Indem sie durch einfache, benutzerfreundliche Programme auf erste Lösungen und Erkenntnisse stoßen, könnten Paare eine aktive Rolle im Beratungsprozess übernehmen und somit eine bessere Grundlage für die tiefergehenden, persönlichen Gespräche mit einem Berater schaffen. Auf diese Weise könnte KI als ergänzendes Werkzeug dienen, das den Übergang in eine formelle Beratung erleichtert und dabei hilft, die Zeit und Ressourcen der Berater:innen optimal zu nutzen.

Einmal Maschine, immer Maschine?

Die Integration von KI in die Paarberatung eröffnet spannende Möglichkeiten, stößt jedoch auch an Grenzen. KI hat keine Gefühle und kann auch nicht mit den Emotionen von Menschen umgehen. Es fehlt an Empathie und einem neutralen Leiter, der die Dynamik zwischen den Partnern steuert. Letztlich bleibt die menschliche Begegnung in der Beratung unersetzbar. Dennoch könnten KI-gestützte Tools eine Brücke bauen, um Paare in Wartezeiten zu unterstützen oder sie besser auf die eigentliche Paarberatung vorzubereiten.

KI ist gut darin, Tools und Arbeitsschemen bereitzustellen, jedoch ist und bleibt sie eine Maschine, die nicht in der Lage ist auf das Individuum vor ihr einzugehen. Vom heutigen Standpunkt aus, ist die KI nicht in der Lage Empathie auf einem menschlichen Niveau zu empfinden (allerdings immer besser zu simulieren). Die Grenzen der KI in der Paarberatung liegen also klar in ihrem Mangel an Empathie und ihrer Unfähigkeit, komplexe menschliche Emotionen vollständig zu erfassen – dennoch kann sie als unterstützendes Werkzeug eine wertvolle Ergänzung darstellen. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung könnte KI künftig individualisiertere Ansätze liefern und Paaren noch gezielter helfen, wodurch sie sowohl Beratungsprozesse erleichtert als auch den Zugang zu Beratung für mehr Menschen ermöglicht.

  • Danke an die Interviewpartner:innen Irene Mitterbacher, Arno Mitterbacher und Melanié Anhunt
  • Foto erstellt mit Hilfe von ChatGPT, OpenAI. Promt: Inhalt dieses Artikels