[Gastartikel] von Mag.a Elisabeth Wedam
Das Leben als Expatriate (kurz: Expat), also das Leben und Arbeiten im Ausland, kann eine aufregende Erfahrung, ein Abenteuer sein, aber es ist auch voller Herausforderungen, die man am besten verstehen kann, wenn man sie selber erlebt hat. Ich bin mit meiner Familie für fünf Jahre nach Istanbul gezogen, dann für ein paar Jahre zurückgekehrt nach Österreich und schließlich vor eineinhalb Jahren nach Bukarest übersiedelt. Und ich durfte erfahren, welche Bereicherung ein Leben voller Veränderungen bietet, aber auch, welche Schwierigkeiten es mit sich bringt.
Neben der Lust auf ein Abenteuer sind die Liebe und die Hoffnung auf bessere Lebensqualität häufig die Anlässe für einen Umzug ins Ausland. Der Großteil der Auswanderer zieht allerdings beruflich bedingt ins Ausland. Manche, weil sie eine Geschäftsidee wittern und in der Ferne ein Unternehmen gründen wollen, manche weil sie in einem anderen Land einen besseren Job gefunden oder von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsandt werden. Ebenso wie eventuell mitziehende PartnerInnen und Kinder stehen sie vor vielen Hürden, denn ein Neuanfang fern der Heimat ist nicht immer leicht. Aber sehen wir uns die größten Herausforderungen für Expats und Auswanderer einmal im Detail an.
Tätigkeitsfeld für die Beratung
Manche Themen aus unserer Vergangenheit nehmen wir mit, egal, wohin wir ziehen, manche Probleme ergeben sich, wenn wir an einem neuen Ort – oder auch zurück in der „alten“ Heimat – Fuß zu fassen versuchen.
Die Entscheidung, im Ausland zu leben und zu arbeiten, kann wie schon gesagt eine aufregende und bereichernde Erfahrung sein. Sie bietet die Möglichkeit, neue Orte und Kulturen zu entdecken, internationale Freundschaften zu schließen und sich persönlich, als Paar oder als Familie weiterzuentwickeln. Die Herausforderungen, die ein Umzug in ein fremdes Land mit sich bringt, sind nicht zu unterschätzen und bieten ein spannendes Tätigkeitsfeld für Lebens- und SozialberaterInnen.
Denn egal, ob Auswanderer mit beruflichen Herausforderungen, Heim- oder Fernweh, Beziehungsproblemen, Kindererziehung, Überforderung, Orientierungslosigkeit oder Einsamkeit kämpfen – eine psychosoziale Beratung kann hilfreich dabei sein, neue Lösungsansätze zu finden, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und große oder kleine Hürden im neuen Alltag zu meistern.
Die Trennung von Familie und Freunden im Heimatland kann zu großer Einsamkeit führen, egal, wie viele Flugstunden man voneinander entfernt ist. Es kann schwierig und frustrierend sein, in einem fremden Land Anschluss zu finden und sich ein soziales Netzwerk aufzubauen.
Einfach sein altes Leben hinter sich zu lassen, kann schon auch manchmal ein Segen sein, aber für die meisten ist es alles andere als leicht. Unser gewohntes Umfeld, unsere Familie, Freunde, Nachbarn und viele mehr geben uns Stabilität und Sicherheit, die von heute auf morgen plötzlich wegbrechen. In einer neuen Umgebung muss man erst einmal wieder seinen Platz finden und sich auch in irgendeiner Form anpassen.
Die Herausforderungen, den Alltag in einem fremden Land zu bewältigen, egal, ob es die Organisation von Kindern und Haushalt oder ein neuer Job ist, können zu Stress und Überforderung führen. Und natürlich lässt man mit einem Umzug im Normalfall nicht all die anderen Verantwortungen hinter sich. Die Zerrissenheit, wenn es darum geht, sich in der neuen Heimat einzuleben, dabei aber auch den Anschluss an die alte Heimat nicht zu verlieren; oder der eigenen mitreisenden Familie in dieser aufregenden Zeit eine Stütze zu sein, sich aber auch um die möglicherweise schon etwas älteren und gebrechlicheren Eltern in der Heimat kümmern zu sollen, stellt oft einen zusätzlichen Stressfaktor dar.
Das Gefühl von Heimweh kann überwältigend sein, selbst wenn das neue Zuhause alles bietet, was das Herz begehrt. Vor allem bei einer Entsendung durch den Arbeitgeber ist die Entscheidung ja nicht immer eine gegen die Heimat und für ein neues Land, sondern eine für einen neuen Job oder einen anderen Einsatzbereich, der „notgedrungen“ auch einen Ortswechsel mit sich bringt. Und auch wenn finanzielle Vorteile durchaus attraktiv sein mögen, sind es letztendlich oft einfach Kleinigkeiten von Zuhause, die einem plötzlich fehlen.
Auch die Anpassung an eine neue Kultur kann schwierig sein, abhängig davon, wie fremd sie uns im Vergleich zur eigenen erscheint. Unterschiede in Sprache, Traditionen und sozialen Normen können dazu führen, dass sich Menschen isoliert oder fehl am Platz fühlen. Nicht umsonst gibt es auch unzählige Bücher rund um das Thema „Third-Culture-Kids“, Kinder, die weder mit der Kultur des Landes, in dem sie leben, noch in ihrer Herkunftskultur aufwachsen.
Eine Karriere im Ausland ist alles andere als einfach, doch viele übersehen die Auswirkungen für die mitreisenden PartnerInnen, die ihre eigenen Karrieren oft ganz aufgeben müssen oder mangels Alternativen weit unter ihrer Qualifikation arbeiten. Und natürlich können Frustration, Unsicherheit und finanzielle Abhängigkeit, sowie die bereits weiter oben erwähnten Herausforderungen auch zu Spannungen und Konflikten zwischen den Partnern führen und sich negativ auf die Beziehung auswirken.
Die Theorie der „Emotionslogik der Migration“ zeigt uns, welche Phasen jemand erlebt, der im Ausland neu anfangen will. Weniger oft hört und liest man allerdings darüber, wie es denjenigen geht, die nach einem Auslandsaufenthalt wieder nach Hause zurückkommen. Nicht wenig fallen dann erst einmal in ein Loch. Die Zeit im Ausland prägt und verändert einen und nicht selten „passen“ die Ex-Expats dann auch nicht mehr dorthin, wo sie eigentlich herkommen. In der Heimat wieder Anschluss zu finden kann oft noch schwerer sein als in der Ferne.
Egal, ob es um Neuorganisation, Partnerschaft und Familie, Kommunikation, die Suche nach der eigenen Identität und Persönlichkeitsentwicklung oder das Thema Resilienz und Umgang mit Stress geht - Lebens- und SozialberaterInnen können hier nicht nur eine wertvolle Hilfe leisten, die Begleitung von Expats ist geradezu idealtypisch für den Einsatz der Kompetenzen unserer Profession. Und die Zielgruppe ist groß und vielseitig, denn allein mehr als eine halbe Million Österreicher leben als Expats und Emigranten im Ausland. Im Jahr 2020 lebten in Summe schätzungsweise 281 Millionen Menschen in einem anderen Land als ihrem Geburtsland, Tendenz steigend.
Mag.a Elisabeth Wedam schloss nach ihrem Wirtschaftsstudium und über 15-jähriger Tätigkeit im Marketing und Eventmanagement im Jahr 2022 die Ausbildung zur Psychologischen Beraterin an der Sigmund Freud Universität in Wien ab. Es folgten Zusatzausbildungen in Paarberatung und Supervison beim LSB Studio in Kärnten. Sie arbeitet als Dipl. Psychologische Beraterin mit den Schwerpunkten Paarberatung, Supervision und Beratung von Expats und lebt derzeit mit ihrer Familie in Bukarest, Rumänien. » www.elisabethwedam.com