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[Gastartikel] von Christian Pöschl, B.A.

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Suchtprävention im Fokus von Rausch- und Risikokompetenz

Meist sollte man ja am Anfang beginnen, aber bei einem Thema, wie hier nun präsentiert und diskutiert, gibt es wohl keinen richtigen Anfang. Denn, wann beginnt Sucht und/oder der Rausch? Wann spricht man schon von Sucht und wann ist es noch Genuss? Auf alle Fälle werden in diesem Artikel ganz viele Fragen gestellt und ich verspreche nicht, dass die Antworten mitgeliefert werden, denn diese Fragen sollten zum Nachdenken anregen und dann – wir wollen es alle hoffen – am Ende vielleicht etwas Klarheit schaffen. Versprechen kann ich das aber nicht. Aber – noch sind wir nicht am Ende – zurück zum Start wie es in einem beliebten Spiel heißt.

Was ist eine Sucht?

Einfach erklärt ist eine Sucht ein Verlangen nach einer Substanz, nach einer Tätigkeit und dieses Verlangen kann man nur sehr schwer, oder nicht mehr (selbst) kontrollieren oder eingrenzen. Durch dieses Verlangen und das Ausüben der Tätigkeit werden andere wichtige Dinge in den Schatten gerückt, werden andere wichtige Dinge irgendwie nicht mehr ausgeübt, werden Dinge, die man mal gerne gemacht hat, nicht mehr getan.

Dass es zu einer Sucht, zu einer Erkrankung, zu einer Abhängigkeit führt, dafür sind mehrere Gründe zuständig, oftmals wird es mit dem Suchtdreieck (SuchtTrias) versucht zu erklären. An den Ecken des Dreiecks befindet sich die Person selbst, das soziale Umfeld und die Substanz (bzw. das Verhalten). Und in jedem dieser 3 Parameter gibt es Gründe, die zur Entstehung einer Sucht, nein falsch, die dazu führen können, dass man eine Substanz (legalisiert oder illegalisiert) konsumiert, oder ein Verhalten ausprobiert.

Gutes Schlagwort und kleiner SideStep - die Einteilung – aber recht rasch erklärt – Substanzen werden in legalisierte und illegalisierte Substanzen eingeteilt und ja – hier wird absichtlich legalisiert und illegalisiert geschrieben, denn keine Substanz und kein Verhalten ist genuin legal oder illegal. Bestimmte Regelungen und Gesetze haben sie zu dem gemacht, dazu gleich mehr, etwas Geduld. Aber – zurück zum Thema – legalisierte Substanzen, die einen Rausch / eine Abhängigkeit erzeugen können sind z.B.: Kaffee, Alkohol, Nikotin – Anmerkung zu den letzten beiden, klarerweise auch reglementiert zum Beispiel durch das Jugendschutzgesetz und/oder die StVO, illegalisierte Substanzen sind z.B.: Cannabis, Heroin, LSD. Als weiterer Kategorie noch die Verhaltenssüchte (Spielsucht, Arbeitssucht, Kaufsucht….).

Also – Zusammenfassung – zu diesem „Was ist Sucht und wie entsteht diese?“. Es gibt Substanzen / Verhalten, die, aus welchem Grund auch immer, konsumiert/getan werden und hier nochmals der Hinweis auf die SuchtTrias, die vorher schon erwähnt worden ist, kann Sucht entstehen und kann Abhängigkeit entstehen und kann Krankheit entstehen.

Wovon sprechen wir?

Die Sucht - eine Suche?

Nein, definitiv nein, aber, vielleicht doch. Etymologisch kommt der Begriff Sucht eben nicht von Suche (obwohl das schön passend wäre), sondern geht auf das Wort „siechen“ zurück, dieses Wort bedeutet „Leiden an einer Krankheit“, man findet das Wort noch in der Gelbsucht, Fettsucht, Schwindsucht.

Wichtig hier und deshalb der Hinweis, Sucht, wie eben angeführt, ist eine Krankheit, die in der ICD11 bzw. im DSM definiert ist. Es macht wenig Sinn, diese Punkte, die im angeführten Manual als Parameter dienen, damit eine Sucht diagnostiziert werden kann, anzuführen (einfach dort nachlesen). Aber – und ein wesentlicher Punkt für die Tätigkeit als LSB - Sucht ist eine Krankheit.

Wenn nun jemand die Frage stellen würde (ja, ich kann sie sogar hören), was ist der Unterschied zwischen Sucht und Abhängigkeit, verweise ich auf die WHO, die eine Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Stationen zieht, vor allem deshalb, um den fließenden Übergang von Genuss bis zur Krankheit erkennen zu können. Aber – für alle, die bis jetzt nicht aufgepasst haben, als wichtiges Schlagwort „Sucht = Krankheit“.

Warum konsumieren Menschen?

Warum Menschen konsumieren, warum Menschen Tätigkeiten durchführen, das liegt wohl in der Art der Menschen selbst, in der Neugier, im Ausprobieren, im Erleben, im Flow, in der Kultur, in der PeerGroup, in der Familie, im Alter, im Geschlecht... you name it. Die Geschichte der Substanzen ist genauso eine Geschichte der Menschheit, ein Beobachten, ein Feiern, ein ritualisierter Gebrauch, eine religiöse Zeremonie, ein Genuss, ein Rauscherlebnis, ein Ausprobieren, Trial&Error. Und auch hier: you name it.

Unbedingt zu erwähnen ist jedoch, dass die Illegalisierung von Substanzen nicht in der Substanz selbst liegt, sondern auch hier hat & hatte der Mensch, die Politik, der ökonomische Aspekt, das Unwissen, die falsche Substanz zur falschen Zeit in den falschen Händen, großen Einfluss. Viele Substanzen, die heutzutage als illegalisiert gelten, wurden lange Zeit in der Medizin verwendet (und man kommt heutzutage auch wieder darauf zurück, z.B.: Ketamin bei Depressionen). Aufgrund verschiedenster Umstände, wurden sie jedoch illegalisiert, in den letzten Jahren zeigt sich aber wieder ein Abkommen der „law&order“-Haltung, da es in vielen Ländern schon unterschiedliche Modelle der Legalisierung, bzw. - besseres Wort, besserer Definition - der Neureglementierung gibt (und weiter geben wird).

Wo bleiben nun die LSB?

LSB oder LSD - ein Wortspiel, das mir gerade eingefallen ist, wir aber gleich wieder vergessen wollen. Versucht wurde mit den vorherigen Zeilen zu zeigen, dass Suchtmittel (legalisierte, illegalisierte und Verhalten) ernstzunehmende und gefährliche Substanzen sind. Keineswegs sollte der Eindruck entstehen eine allgemeine Legalisierung wäre die Lösung. Keineswegs, denn vor allem Kinder und Jugendliche müssen davor geschützt werden. Aber – wichtig – Sucht ist eine Krankheit und wir als Lebens- und Sozialberater:innen heilen keine Krankheiten! Wir sind keine Mediziner:innen und, außer man hat Zusatzausbildungen, auch keine Suchtexpert:innen. Deshalb steht es uns nicht zu und ist höchst unprofessionell, wenn wir beginnen würden, Menschen "heilen" zu wollen, die krankhaft süchtig sind.

Aber – und hier sind wir im Spiel (also doch LSB statt LSD) – wir können versuchen, wenn jemand zu uns kommt, der/die Probleme mit Substanzen/Verhalten hat, den Grund für diese Problematik herauszufinden und Lösungsstrategien vorzuschlagen, um (erlaubt mir dieses Wortspiel) auf den Grund für den Grund zu kommen.

Aber – nochmals – für alle, die bis jetzt nur „quergelesen“ haben – wir sind keine Mediziner und Sucht ist eine Krankheit – wir (in der professionellen Haltung des LSB) können eine Sucht nicht heilen!

Bevor wir dann fertig sind

Da war ja noch was - das schöne Wort „Prävention“ (vorbeugen). Kann man Sucht vorbeugen? Kann man Sucht verhindern? Gute Frage und wie vorhin schon versprochen, ich werde keine bis wenig Antworten geben, aber Lösungen und Konzepte vorstellen, die einen Weg zeigen, den man gehen kann.

In jeder Prävention, aber vor allem der Suchtprävention, wird man irgendwann über den Begriff „harm reduction“ stolpern. Gemeint ist damit eine Art von Risikominimierung. Wie heißt es so schön, das Leben ist gefährlich und das Leben ist ein Risiko. Um dem Risiko aus dem Weg zu gehen, hätten wir die Möglichkeit, dass wir gar nicht mehr aus dem Haus gehen (wobei es auch sehr viele Haushaltsunfälle gibt), oder dass wir uns bewusst auf die Risiken vorbereiten. Wir können uns aber nicht auf alle Risiken vorbereiten!

Das Programm „risflecting© bezieht sich nun genau auf die angeführten Parameter. „Risflecting©“ wird als pädagogisches Kommunikationsmodell gesehen, dass Strategien entwickelt, um Jugendliche und Erwachsene dabei zu unterstützen, mit Rausch- und Risikosituationen souverän umzugehen.

Wichtig ist „risflecting©“ die Haltung zum Thema, die Haltung zum eigenen Ich, wie will ich, nein, besser, will ich mich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einen Rausch- und Risikosituation begeben, bin ich mir bewusst, was ich tun werde und will ich das auch, mit jeder Pore meines Körpers, will ich diesen Rausch, diesen Flow, diese Trance, dieses Erlebnis? Ich habe für mich immer die Chance und die Möglichkeit, dass ich einen „break“ einlege, dass ich „nein“ sage, dass ich Alternativen vorschlage. Wenn ich bewusst den Rausch, das Erlebnis wähle, dann komme ich zur nächsten Kulturtechnik des „risflecting©“ zum „relate“. Der Rausch, auch wenn er für sich selbst steht, ist ein Kommunikations- ein Gemeinschaftserlebnis und hier ist es wichtig, dass man im Rausch, im Erleben auf sich selbst und die anderen achtet, um das Erlebnis genau zu dem zu machen, was es sei sollte, ein einzigartiges Erlebnis, das uns zum „reflect“ bringt. Was war gut, was können wir lassen, was war schlecht, was können/müssen wir ändern und diese Erfahrungen werden in den Alltag, in das nächste Erlebnis eingebaut.

So kann und sollte Prävention im Suchtbereich, vor dem Rausch, im Rausch, nach dem Rausch, passieren.

Wir werden, egal welche Art von Rauschkultur gelebt wird, den Rausch nicht immer verhindern können, der Rausch ist ein Teil von uns, ob in den Substanzen, in der Kultur, in der Musik, in der Natur, wo auch immer. Aber wir können den Rausch kultivieren, wir können den Rausch zu dem machen, was er sein sollte, ein besonderes Erlebnis.

Und hier, in diesem System der Rauschkultur kann Prävention gelingen, kann die „Rauschkompetenz“ diskutiert werden, kann auch eine Beratung funktionieren, kann der systemische Zugang funktionieren, wo man einen sicheren Umgang, sicher in dem Sinne, dass man wieder „sicher landet“ kommunizieren kann.

Und hier sind wir wieder beim LSB, sind wir in der Beratung. Wir können Personen stärken, Personen in ihrer Entscheidungskraft fördern, Personen dabei unterstützen „nein“ (oder „ja“) zu sagen, Personen dafür sensibilisieren, dass sie für sich selbst die richtige Entscheidung treffen, wir können dadurch präventiv tätig sein, dass das Rauscherlebnis eines wird, das nicht Horrortrip wird, also LSB und LSD.

„Spring und lande“ ist ein Slogan aus „risflecting“ und wie bei jedem Sprung ist es wichtig, sich auch schon die Landung zu überlegen, um den Sprung auch zu überleben. Also – spring in dein nächstes „rauschhaftes“ Erlebnis und lande wieder sicher.

In diesem Sinne, auf viele weitere rauschhafte Erfahrungen.

Quellen und weiterführende Informationen:

Zum Autor:

Christian Pöschl, B.A. ist Lebens- und Sozialberater mit eigenem Gewerbe, Supervisor und als Polizist vor allem in der Kriminalprävention tätig. Masterstudium Medien- und Kommunikationswissenschaft, Studium Philosophie, Konzertveranstalter, Radiomoderator, Rausch- und Risikopädagoge, Familienvater.